Erfahrungen mit anderen Sinnen

Zum Abschluss der Hallensaison konnten die Faustballjugend und einige andere Faustballer über die Inklusionsoffensive des Badischen Behinderten- und Rehabilitationssportverbands e.V. (BBS) erleben, wie sich blinde und sehbehinderte Sportler:innen im Alltag und im Sport bewegen. Unterstützt wurden sie dabei von der blinden Biathletin Vivian Hösch, die 18-fache Deutsche Meisterin im Biathlon ist und mehrfach erfolgreich an den Paralympics teilgenommen hat.

Schon zum Einstieg war interessant zu erfahren, wie Vivian und ihr Assistenzhund Candy mit dem Zug aus Freiburg angereist waren. So berichtete sie, dass an den Treppengeländern in der Regel in Blindenschrift die Gleise vermerkt sind und die weißen Steine mit Rillen auf den Bahnsteigen extra zur Orientierung für blinde Fahrgäste angebracht wurden, weshalb darauf kein Gepäck abgestellt werden sollte. Im Bahnhof Mannheim orientiert sie sich unter anderem am Geruch (ein Tunnel in der Nähe von McDonald‘s) oder an der Lautstärke (Haupttunnel). Da man ihr nicht ansieht, dass sie blind ist, benutzt sie in ihr unbekannten Gegenden oder wenn sie an Orten unterwegs ist, an denen man sie nicht kennt, einen Blindenstock, auch wenn sie von Candy geführt wird. Häufig passiert es ihr, dass Passanten, wenn sie den Blindenstock sehen, aufhören zu sprechen, aber Vivian wäre es lieber, wenn weiter gesprochen wird, denn dann kann sie sich am Gespräch orientieren und weiß, wo sich die anderen Leute befinden.

Nach diesen ersten Erfahrungen tauchten die TVKler mit Simulationsbrillen in die Welt der Sehbehinderung ein. Wir setzten uns im Kreis und rollten verschiedene Klingelbälle hin und her. Besonders schwierig wurde das, als wir Dunkelbrillen aufsetzten, mit denen man wirklich nur noch schwarz sieht, wir bestimmte Personen anpeilen sollten, die sich nur durch Rufen bemerkbar machten – und außerdem mehrere Bälle im Spiel waren. Manchmal „verhungerten“ die Bälle unterwegs und wir mussten versuchen, den Standort zu ertasten oder mit den Anweisungen von Fiona Burg, die das Projekt von Seiten des BBS leitete, zu finden.

Diesem Aufwärmtraining für unser Gehör folgte ein Parkour, den wir entweder mit den Simulations- oder den Dunkelbrillen in Zweier-Teams bewältigen mussten. Eigentlich einfache Aufgaben stellten sich als Herausforderung dar, wenn man nichts sieht: Slalom durch Hütchen, Balancieren über eine Bank, Laufen über einen unordentlichen Mattenhaufen oder ein Sprungbrett. Vivian und Fiona hatten uns gezeigt, wie man entweder mit der Hand oder (auch für den Führenden eine Herausforderung) nur durch Sprechen führt. Spannend war auch eine Station, an der man mit kleinen Bällen auf ein Zielfeld werfen sollte. Neben dem Zielbereich saß der jeweils Sehende des Teams und klatschte.

Das größte Highlight des Parkours war die Biathlon-Schießanlage. Im Blindensport schießen die Athlet:innen nur im Liegen und nach Gehör. Das Gewehr und ein Kopfhörer sind mit einem Computer verbunden, auf dem eingestellt wird, wie groß die zu treffende Scheibe sein soll. Unter Wettkampfbedingungen wird auf Scheiben mit einem Durchmesser von 2,1 cm geschossen – für uns hatte Vivian die Scheiben auf 15 cm festgelegt. Sobald das Gewehr entriegelt ist, hört man ein tiefes Tuten. Je genauer man auf die Scheibe zielt, desto höher und durchgehender wird der Ton. Hat man getroffen, ertönt eine Melodie. Mit Unterstützung von Vivian haben wir alle geschafft, Scheiben zu treffen.

Zum Abschluss demonstrierte uns Fiona noch, wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen, wenn man sich nicht sieht. Wir stellten uns in einen großen Kreis, setzten die dunklen Brillen auf und hielten alle ein Band. Dann sollten wir (ohne etwas zu sehen) verschiedene Figuren formen, zum Beispiel ein Rechteck, ein Dreieck, eine Linie (ohne Kurven) oder einen Kreis (kein Ei). Dazu mussten wir gemeinsam überlegen, wer die Ecken bildet oder wie gestrafft das Band sein muss.

Zum Ausklang erzählte uns Vivian, dass man Assistenzhunde nicht streicheln oder ansprechen darf, wenn sie im Dienst sind. Das erkennt man, wenn sie ein Geschirr mit einem weißen Bügel anhaben. Vivian berichtete, dass Candy sogar merkt und abgelenkt wird, wenn man ihn einfach nur anstarrt. Sie weiß dann nicht, was gerade los ist, sondern merkt nur, dass Candy abgelenkt ist.

Der Abend hat für uns alle tolle Eindrücke und Einblicke gebracht. Wir danken Vivian, Candy und Fiona, dass sie uns diese für uns ganz andere Welt näher gebracht haben!

Bericht: Claudia Cymutta
Bilder: Badischer Behinderten- und Rehabilitationssportverband e.V.

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